Was Christian Heller a.k.a. plomlompom anderswo kommentiert.
Provokateur (Zu: "Leipzig" / classless Kulla)
Christian (Zu: "Mohamed und die Urne" / T i e f)
Erik (Zu: "Mohamed und die Urne" / T i e f)
Für alle von mir verfassten Texte auf dieser Seite gilt folgende Lizenz:
(hier war mal AdSense-Werbung, heute aber nicht mehr)
Dieses Blog ist eingestellt. Sollte sich sein Zweck anderswo niederschlagen, dann vielleicht im plomlompom-Wiki. Das hier bleibt als Archiv bis aufs Weitere bestehen.
1. “Wenn es wenige Blogs gibt, dann müssten sich die wenigen doch eigentlich enger zusammenschließen.” Warum? Blogs leben von ihrer Individualität und Differenz, nicht von ihrer Gleichartigkeit und Gemeinschaftlichkeit. Qualität aus Quantität entsteht bei ihnen seltenst aus Einigung über gemeinsame Themen, Qualitäts-Standards o.ä., sondern über die Kommunikation und Verschaltung zwischen Verschiedenem, eben: Links, Trackbacks, Kommentare, die Individualitäten untereinander vernetzen (und vielleicht so neue Strukturen generieren, die mächtiger sind als die Summe der Individualitäten für sich), ohne sie aufzulösen. Das Tolle an der Neuen Medienlandschaft ist doch gerade das Potential zu viel freieren Verschaltungen, Selbstorganisationen, Emergenzen. Formen wie Gatekeeper-Portale, inhaltliche Absprachen, ethische Kodizes etc. scheinen mir da eher wenig versprechend, da sie diese eigentlichen Qualitäten der Differenzen und Individualitäten eher absaugen, anstatt sie zu unterstützen.
2. Vielleicht glaubt der eine oder andere tatsächlich, durchs Runterschrauben der Linkerei nach Außen seiner Monetarisierung zu dienen. Halte ich aber für Unsinn, Old-Media-Denke. Klassischer Fall das Trackback: Link raus führt zu Link rein. Mag sein, dass Aufmerksamkeit im Netz eine begrenzte Ressource ist, die man am liebsten ganz auf die eigene Seite verbündelt sehen würde, aber ich glaube nicht, dass die Aufmerksamkeitsbündelung im Netz so einfach aufzulösen ist über die Formel ‘welche Seite hat sich zuletzt in meinem Browser geöffnet’. Ein Beispiel: Ein Link bedeutet meist nicht das Verlassen der Link-setzenden Seite, sondern einfach ein neues Tab im Browser, der noch nicht mal automatisch nach dem Klick in dieses neue Tab wechseln muss. Meist habe ich Link-reiche Seiten länger in meinem Browser offen (auch über Browser-Restarts hinweg) als Link-arme, weil ich erstmal alle Links auf ihnen durchgearbeitet haben möchte, ehe ich sie wieder schließe. (Irgendwelche “entwerte ich meinen PageRank, wenn ich mehr Links nach draußen setze”-SEO-Alchemien lasse ich mal ganz außen vor.)
3. Arbeit an der Beförderung der Blogosphäre kann ich mir eigentlich nur als Arbeit an den Infrastrukturen der Blogosphäre vorstellen, nicht an ihren Inhalten oder Kommunikationsethiken. Die resultieren aus der Form des Mediums und damit seiner Infrastruktur und lassen sich nur schwerlich nachkorrigieren, ohne letzteres in Angriff zu nehmen. Aber ok, mit Infrastruktur müssen nicht nur Kommunikationsprotokolle für Trackbacks gemeint sein. Auch Technorati z.B. würde ich als Infrastruktur bezeichnen, oder Seiten wie Digg. Wie Informationen untereinander vermittelt und bewertet werden, das ist, woran man arbeiten kann, nicht, welche Informationen das sein sollten.
Passt sich für mich gut in einen Trend ein, bisher als künstlerisches Mittel gedeutete Worte ältester Texte als nicht künstlerishch, sondern ganz wortwörtlich so gemeint, wie sie da stehen, nachzudeuten, à la Julian Jaynes mit “The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind”: Vermittels neurologischer Spekulationen über die Geisteszustände in früheren Zivilisationen unterstellt er Texten wie der Ilias (der Odyssee dann schon etwas weniger), dass ein Anrufen von Musen als Erinnerungs-Informationsquelle oder der Rückbezug jeder komplexeren charakterlichen Motivation auf Lenkung durch Götter keine künstlerische Ausschmückung, sondern konkrete Abbildung der damaligen Psychologie sei, in der sich noch kein modernes Bewusstsein als Triebfeder eines Ich gebildet hatte, sondern vorbewusste Menschen ähnlich manchem heutigen Schizophrenen von innerlich gehörten Stimmen (die sich erst später zu einem über sprachliche Metaphern geführten Bewusstsein entwickeln sollten) informiert und getrieben wurden, die als Autoritäten, Geister, Musen, Götter sich in die Wahrnehmung einbrannten. Ein nicht uninteressantes Projekt, modernes Verständnis alter Texte mal darauf abzuklopfen, wie weit es moderne Geisteszustände, Lebenswelten, künstlerische Paradigmen usw. als Grundlage dieser Texte voraussetzt.
@Rafael: Deutschland hat ein Grundgesetz, und ein Gesetz ist nichts, womit ich mich in meinem Wesen identifiziere, höchstens ein gesellschaftlicher Vertrag, nach dem sich mein Handeln richtet, wenn ich meinen Interessen mehr damit diene, es zu tun, als es nicht zu tun. Weiterhin von dir referenzierte universelle Werte wie Gleichheit menschlicher Rechte unabhängig von sexueller Präferenz oder Geschlecht oder die Vermeidung grausamer Strafen sind eben das, Werte mit universellem Anspruch, die nicht an eine Nation gebunden sind, von denen ich vor allem nicht sagen kann, der durchschnittliche deutsche Bundesbürger repräsentiere sie strahlender als jeder andere. Es ließen sich genug Gegenbeispiele auffahren.
.
Die deutsche Nation hier als Identifikations-Maßstab zu nehmen anstatt den westlichen Kulturkreis (und ein Kulturkreis ist eine weitaus losere Eingrenzung als ein geographisch-juristisch festgelegter Nationalstaat) ist eine große Beliebigkeit. Ich habe als Berliner nicht den Eindruck, wesentlich mehr mit dem Durchschnittseinwohner eines bayrischen Dorfes gemein zu haben als mit einem durchschnittlichen Einwohner von Paris. Atomkraft finde ich knorke und Fußball todlangweilig, und wenn mich das irgendwie undeutscher macht, habe ich kein Problem damit. Wer meine Freunde für ein “Uns” sind, definiert sich für mich nicht über Nationalgrenzen, und “Uns alle” versinnbildlicht durch die Schlaaand-Gröhler “macht” mir keinen “Spaß”, ich sehe da nur eine tierische Hordendynamik drin, die mich anwidert, und ich kann mir nichts Gutes vorstellen, das von einer solchen in einer modernen Gesellschaft vorangebracht werden könnte.
.
Warum also?
Hm. Was ist das, “uns alle”, für das die Flagge ein Symbol sein soll?
Mag sein, dass die Anwendung von Technologie immer auch eine soziale Komponente hat, egal wie vermeintlich individuell autark sie geschieht. Im Fall transhumanistischer Technologien ist das sogar sehr wahrscheinlich. Die positiven Folgen (bei ausreichender Gewissheit und Sicherheit der technischen Prozeduren) für den Einzelnen wären konkret, offenkundig und gewaltig. Es ginge um nichts Geringeres als die Lösung einiger der größten Probleme, mit denen sich Menschen je konfrontiert sahen: körperliche und geistige Schwäche, Sterblichkeit. Zeige mir eine scholastische Verteidigung dieser, die sie zur Grundbedingung des Menschseins machen, und ich zeige dir ein Vielfaches unter die Definition des Menschseins fallender Individuen, die bereit wären, diese Definition hinter sich zu lassen, wenn sie dafür ihre körperlichen und geistigen Kapazitäten steigern oder Ewige Jugend erlangen könnten. Dieser positiven Qualität des Versprechens stehen Spekulationen über mögliche Schwierigkeiten sozialer oder psychologischer Natur entgegen. Mag sein, dass man sich mit neuen Bedingungen auch neue Herausforderungen einbrockt; aber das war schon immer so, schon immer gab es neue Lücken, die gefüllt werden, neue Probleme, die gelöst werden mussten. Verglichen mit den katastrophalen Potentialen, die etwa in die Idee der Atombombe per definitionem mit eingebaut waren, überwiegt das Konto konkreter positiver Versprechungen transhumanistischer Technologien jedoch das Konto anforderungsreich spekulativer negativer Potentiale bei Weitem.
Man kann sich nicht nur Fahrlässigkeit zuschulden kommen lassen, indem man ein Risiko eingeht. Man kann sich auch Fahrlässigkeit zuschulden kommen lassen, indem man die Lösung eines Problems hinaus zögert (und so zum Beispiel Millionen von Individuen zum unfreiwilligen Tod durch Altern verdammt, die durch frühere Initiative in mancher transhumanistischen Technologie hätten gerettet werden können).
Zum Thema Ethik-Diskussionen des Transhumanismus möchte ich schließlich mit einem Verweis auf dieses neue Blog schließen, das sich genau damit beschäftigt: http://mjsl.wordpress.com/
@iSophus: Wenn du betont dem Naturwissenschaftler das Recht absprichst, Moral und Sinn des Lebens zu klären (ein Anspruch, den er in seiner Funktion als Naturwissenschaftler gar nicht vertritt), klingt das ein wenig so, als gäbe es andere Instanzen, denen du das durchaus zugestehst. Sollte ich mit dieser Interpretation richtig liegen: Welche Instanzen, außer dem Individuum für sich (eine Norm, die der Transhumanismus eben erstmal[*] nicht angreift), sollen das sein, und warum?
Du erkennst richtig, dass im Transhumanismus so manches begriffspolitische Projekt gefahren wird, zum Beispiel das, das biologische Altern als einen heilbaren Krankheitsprozess umzudefinieren. Als Gegenargument fällt dir hier die Definitionshoheit einer nationalen juristischen Institution von Mitte des letzten Jahrhunderts des letzten Jahrtausends ein, die den Begriff der Normalität selbst mehrfach als Maßstab ihrer Begriffsdefinition verwendet. Was in einer bestimmten historischen Situation ‘normal’ ist, hängt mit den Bedingungen dieser Zeit zusammen. Diese Bedingungen sind gerade dabei, sich in Hinblick auf die Biotechnik sehr radikal zu verändern. Ein Abklopfen von Begriffen auf ihre Geeignetheit als Maßstab der Gegenwart erscheint also angemessen. Warum sollte der Auftrag der körperlichen Unversehrtheit nicht auch die Bekämpfung jener körperlichen Verfallsprozesse, die das Altern darstellt, einschließen?
Bunz hab ich überflogen, Fukuyama liegt hier bei mir rum, nur die ersten paar Seiten angelesen (in der deutschen Übersetzung, das hat mich bisher vom Lesen abgehalten, ich bin so ein Originaltextefetischist). Ich finde es aber öde, mit Namen zu jonglieren, anstatt einfach den argumentativen Gehalt ihrer Überlegungen (gern mit Quellenangabe natürlich) direkt in das Gespräch einzubringen ;-)
Was Drogen betrifft, bin ich übrigens auch für Liberalisierung. Mein Körper gehört mir, was ich mit ihm anstelle, ist meine Sache, ob nun Piercings (die ich igittigitt finde), Drogen (abgesehen von Club Mate und Alkohol ist da auch nix für mich bei), Body Modification (manche Leute lassen sich gezielt gesunde Extremitäten amputieren, schulterzuck, sollen sie doch) oder biotechnisches Eigen-Upgrade. Eine äußere Instanz, die verhindert, dass ich Anderen Schaden zufüge, gut, darüber kann man reden; aber für eine äußere Instanz, die für mich als Erwachsenen entscheidet, was /mir/ gut tut und was nicht, sehe ich keine Notwendigkeit.
Dass wir schon genug Probleme auf der Welt haben und sowas wie Transhumanismus das alles nur noch verkomplizieren würde, ist, ganz ehrlich, auch kein sehr mächtiges Argument ;-) Viele deiner Gedanken zum vorsichtigeren Umgang damit laufen auf World-Governance-Ideen der globalen Beherrschung durch wohlgesinnt-informierte Diktatur (nach obiger Manier des ‘Wir wissen besser, was gut für euch ist, als ihr selbst’) hinaus, die ich in ihrer politischen Konsequenz sehr viel beängstigender finde als alle denkbaren Auswüchse der Biotechnologie.
[*] Wenn wir mal nicht ins singularitarianistische Borgbewusstsein abgleiten, wo wir alle zu einem Weltgeist verschmelzen, aber das fällt eigentlich nicht mehr unter den Begriff “Transhumanismus”.
Der Transhumanist will mit Mitteln der Technik sich von biologischen Einschränkungen befreien. Er fordert nicht pauschal, dass das allen Menschen aufgezwungen wird. Er ist sich aber sicher, dass, wenn mit Mitteln der Technik diverse schmerzhafte Nachteile geheilt werden könnten, von körperlicher Schwäche bis zur Sterblichkeit, sehr viele Menschen sich für sich eher dafür als dagegen entscheiden würden. Der Transhumanismus bzw. Extropianismus ist aber das ganze Gegenteil einer kollektivistischen Ideologie, die wie zum Beispiel die Eugenik fordert, dass sich das Individuum einer Optimierung von Menschenmassen (Volksmassen, Ethnien) zu unterwerfen habe. Im Gegenteil, die Vorwürfe gegen den Transhumanismus richten sich im Allgemeinen eher gegen seine individualistische Natur, z.B. wenn sie sich mit techno-libertären Konzeptionen verknüpft findet (siehe z.B. diese Polemik von Annalee Newitz: http://www.alternet.org/columnists/story/19850/ ).
Warum nun sollte dem Transhumanist sein individuelles Anliegen, sich intelligenter, körperlich fitter, langlebiger zu machen, verwehrt werden? Es ginge dies nur über ein Verwehren seiner individuellen Freiheit. Wenn ein Staat Gesetze gegen Eigen-Upgrades erlässt, dann wird der Transhumanist halt in einen Staat wechseln, wo diese Gesetze nicht gegeben sind. Global ließe sich transhumanistisches Eigen-Upgrade nur durch eine perfekte totalitäre Weltdiktatur verhindern, die noch die tiefsten Winkel der Techno-Unterwelt unter Kontrolle zu bringen imstande wäre. Eine Technik, die so attraktiv ist wie Linderung eigener Krankheiten oder Ewige Jugend, wird sich schwerlich durch moralische Appelle verhindern lassen. Die Alternative einer das Leben der Menschen ins Biologische hinein kontrollierenden Weltdiktatur dagegen ist offenkundig nicht wünschenswert.
Der Transhumanismus als Bewegung in Abgrenzung vom Transhumanismus als individuellem Wunsch nach Eigen-Upgrade nun ist aufgefächert in viele politische Richtungen. Er war früher allgemein stärker libertär-individualistisch geprägt — ich hab das Geld und wechsle notfalls in eine Weltgegend, wo ich mich selbst upgraden kann, was mit den armen Seelen um mich rum passiert, muss mir dann halt gestohlen blebien — und tendiert jetzt mehr in eine sozialere, demokratischere Richtung: Wenn diverse Heilmethoden technisch möglich werden, sollten sie auch möglichst vielen Menschen zur Verfügung stehen, nicht nur einer reichen Elite; Verbote spielen dieser Gefahr der biologischen Klassentrennung aus oben genannten Gründen eher in die Hände, als sie zu beheben; ergo sollte die Gesellschaft den neuen Entwicklungen sich eher öffnen und gesetzliche Grundlagen für ihre allgemeine Verfügbarkeit schaffen, als sich ihnen zu versperren.
Der Mensch erweitert schon seit Jahrtausenden seine ursprüngliche biologische Form, wird bereits zum Cyborg, da er ein Werkzeug in die Hand nimmt, seine äußeren Organe durch Kleidung und Rüstung verstärkt, durch Medizin sein Leben verlängert, durch Schrift und Bibliothek seinen Geist in externe informationsverarbeitende Syteme aufgehen lässt. Ist es nicht recht willkürlich zu sagen, dass hier jetzt bei diesem Stand ist der Mensch, und alles darüber hinaus ist nicht mehr Mensch und gehört verboten? (Viel mehr noch, redet man damit nicht jenen das Wort, die enge Definitionen fürs Menschsein aufstellen und dann gerne nach biologischen oder gesundheitlichen Kriterien wegdefinieren, der Angehörige dieser Ethnie ist kein Mensch mehr, das Kind mit Down-Syndrom ist kein Mensch mehr? Die Negierung der Menschenwürde jener, die sich nicht transhumanistischen Upgrades unterziehen, durch Transhumanisten halte ich für eine Schimäre. Ich würde gerne konkrete Zitate sehen.)
« Ältere Ergebnisse